Von: Tobias Frambach
Einleitung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 30. April 2025 (Az. XI R 5/24) ein Urteil gefällt, das für viele Anbieter von Präventions- und Erziehungstrainings von großer Bedeutung ist. Im Mittelpunkt stand ein Präventions- und Persönlichkeitstrainer, der an Schulen und in Kindergärten Kurse durchführte.
Streitfall
Die Inhalte dieser Trainings reichten von Konfliktprävention und Stärkung des Selbstvertrauens über die Wahrnehmung und Einordnung von Gefühlen bis hin zur Förderung von Resilienz und sozialer Kompetenz. Ziel war es, Kinder in ihrer persönlichen Entwicklung zu stärken und sie auf schwierige Situationen vorzubereiten.
Das Finanzamt hatte diese Leistungen als umsatzsteuerpflichtig behandelt und dem Trainer die Steuerbefreiung verweigert. Nach einem langen Rechtsstreit stellte der BFH nun jedoch klar, dass solche Leistungen als umsatzsteuerfreie Erziehungstätigkeiten anerkannt werden können.
Begriff der Erziehung im Umsatzsteuerrecht
Besonders wichtig war in diesem Verfahren die Frage, wie weit der Begriff der „Erziehung von Kindern und Jugendlichen“ im europäischen Mehrwertsteuerrecht auszulegen ist. Der BFH stellte klar, dass Erziehung nicht nur die reine Wissensvermittlung umfasst. Vielmehr gehe es auch um die planmäßige Förderung der körperlichen, geistigen und sittlichen Entwicklung junger Menschen. Dazu gehören ausdrücklich die Vermittlung von Werten, sozialer Kompetenz und die Stärkung von Charakter und Persönlichkeit.
Anerkennung auch für selbstständige Trainer
Ein weiterer Aspekt war die Frage, ob ein selbstständiger Trainer ohne staatliche Anerkennung überhaupt als „Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung“ gelten kann. Der BFH bejahte dies und stellte fest, dass auch natürliche Personen, die in ihrer Gesamttätigkeit auf Erziehung ausgerichtet sind, als solche Einrichtungen anzusehen sind. Entscheidend ist die inhaltliche Zielsetzung der Tätigkeit, nicht die formale Anerkennung.
Für die Streitjahre vor 2020 war daher keine staatliche Bescheinigung erforderlich. Erst mit der Neufassung des § 4 Nr. 23 UStG zum 1. Januar 2020 gelten zusätzliche Voraussetzungen, etwa das Verbot einer systematischen Gewinnerzielung.
Vorrang des Unionsrechts
Von erheblicher Bedeutung ist zudem, dass sich Steuerpflichtige unmittelbar auf die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie berufen können, wenn das deutsche Recht keine ausreichende Umsetzung vorsieht. Das Finanzamt konnte sich daher nicht darauf berufen, dass nationale Anerkennungsvorschriften fehlten. Wer präventive und erzieherische Leistungen erbringt, kann die Steuerbefreiung also unmittelbar aus dem Unionsrecht ableiten, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil ist für die Praxis in mehrfacher Hinsicht wichtig. Es eröffnet Trainern, Coaches und ähnlichen Anbietern die Möglichkeit, ihre Leistungen steuerfrei zu erbringen, wenn diese klar auf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet sind. Entscheidend ist, dass die Kurse nicht bloß Wissensinhalte vermitteln, sondern auf Persönlichkeitsbildung, Wertevermittlung und soziale Entwicklung abzielen.
Konsequenzen für Mandanten
Für Mandanten bedeutet dies, dass sich eine genaue Prüfung ihrer Tätigkeiten lohnen kann. Wer Leistungen erbringt, die auf die Stärkung von Selbstbewusstsein, Resilienz oder sozialer Kompetenz von Kindern abzielen, sollte prüfen lassen, ob die Umsätze umsatzsteuerfrei gestellt werden können. Dabei ist eine saubere Dokumentation der Inhalte und Zielsetzungen unerlässlich, um die erzieherische Ausrichtung nachweisen zu können.
Für Zeiträume ab 2020 sind zusätzlich die neuen gesetzlichen Anforderungen zu beachten, sodass hier eine besonders sorgfältige steuerliche Prüfung erforderlich ist.
Fazit und Empfehlung
Das Urteil zeigt deutlich, dass der BFH die gesellschaftliche Bedeutung präventiver und erzieherischer Angebote anerkennt. Indem er die Steuerbefreiung für Leistungen von Präventions- und Persönlichkeitstrainern bestätigt, verschafft er Anbietern in diesem Bereich nicht nur steuerliche Entlastung, sondern auch mehr Klarheit für die Zukunft.
Wer als Trainer oder Coach im Kinder- und Jugendbereich tätig ist, sollte die eigene Tätigkeit steuerlich überprüfen lassen. Wir unterstützen Sie gerne dabei, die Voraussetzungen für eine mögliche Umsatzsteuerbefreiung zu klären und Ihre Leistungen entsprechend rechtssicher zu gestalten.
Direkt zum BFH-Urteil kommen Sie hier:
[https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202520240/]